Mullen in den Martha-Dörfern und Thaur

In den MARTHA-Dörfern ( Mühlau, Arzl, Rum, THaur, Absam) die als Ursprung für diesen Brauch gelten, ist das Mullen oder Matschgern jedes Jahr Höhepunkt nach Silvester. Im Jänner und Feber spricht das ganze Dorf nur mehr von der Fasnacht.

In Thaur ist dieser Fasnachtsbrauch noch ursprünglich und wird daher nach strengen Regeln begangen.

Am 15. Jänner jeden Jahres, dem Fest des Dorfpatrons, dem hl. Romedius, werden die meisten der schönen und teilweise alten Weihnachtskrippen abgebaut und verräumt, und im gleichen Atemzug werden die verschiedenen Mullerfiguren vom Dachboden oder Keller geholt und hergerichtet.

Ab dem 16. Jänner ist dann ganz Thaur nur mehr auf die Fasnacht und das Mullen eingestellt. Mit Ausnahme des 2. Februar, Fest Maria Lichtmess, wird in Thaur fast kein Tag der Fasnacht zu finden sein, an dem man keine Muller sieht oder hört. Seien es die Peitschenschneller, die Muller oder irgendwelche andere Gruppen (Bären, der Thaurer Bock, das Fasser Rössl … ).

Das Ende der Fasnacht ist in Thaur der Unsinnige Donnerstag, an welchem das letzte Mal gemullt wird. Anschließend werden die Larven und die Gewänder verräumt und die Fasnacht beerdigt. Die nächsten drei Tage stehen im Zeichen des Gebetes, der Fasnachtssonntag wird in Thaur als Anbetungssonntag gefeiert.

Am Rosenmontag und Fasnachtsdienstag darf man sich nur mehr ohne Mullerkleidung an die abgelaufene Fasnacht erinnern und in normaler Kleidung noch ein bisschen feiern.

Muller vor dem Gasthof „Stangl“ in Thaur
Muller vor dem Gasthof „Stangl“ in Thaur
Die Thaurer „Låll“ bei einem Umzug in Innsbruck
Die Thaurer „Låll“ bei einem Umzug in Innsbruck
Einkemmer Helli vor der Metzgerei Wurzer, 1960er-Jahre, damals noch nicht asphaltiert
Einkemmer Helli vor der Metzgerei Wurzer, 1960er-Jahre, damals noch nicht asphaltiert

Geschichte

Woher kommt die Fasnacht und das Mullen?

Der Ursprung dieses Brauches ist nur sehr vage festzustellen. Die Volkskundler sind sich aber darüber im Klaren, dass es einer der ältesten Bräuche des Landes ist. Hans Gapp belegt in seiner Einleitung zum Buch „Die großen Fasnachten Tirols“ das Wort „Fasnacht“ mit einer Stelle aus Wolfram von Eschenbachs „Parzival“, ein Stück das um 1200 entstand. Auch die Worte „Scheme“ und „Larve“ sind bereits im 12. Jahrhundert im Sprachgebrauch und werden mit Dämonen (= uneholdi) in Beziehung gesetzt.

 

Ein Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1937 berichtet ebenfalls von einer langen Vergangenheit des Mullens in Thaur. So wird erzählt:  „Als Thaur, laut Chronik, um das Jahr 1500 noch ein Pflegegericht besaß, gingen oft sogar Familienväter zur Frau des Richters und baten sie, bei Überreichung von Lebensmitteln, um die Fürsprache bei ihrem Manne, damit er ihnen die Erlaubnis zur Maskerade erteile. Die Frau teilte den Wartenden dann mit: ‚Nachher müssn’s halt a Weile gehen, aber keine Unfug machen!‘“

Dokument aus dem Jahr 1610, in dem die Mullerei in Thaur verboten wird
Dokument aus dem Jahr 1610, in dem die Mullerei in Thaur verboten wird

Gapp berichtet im vorhin erwähnten Buch ebenfalls von dieser Zeit und untersucht den Einfluss der höfischen „Mummereyen“ auf die Tiroler Fasnacht. Herzog Siegmund von Tirol soll mit Freunden aus dem ganzen Lande die Fasnacht 1472 zugebracht haben und sich nach altem Fasnachtsbrauch von den Frauen seiner Residenz gefangen lassen haben. Bei genauem Hinsehen zeugen auch die Reliefs am Goldenen Dachl aus der Zeit Kaiser Maximilians von zahlreichen volkstümlichen Einflüssen auf die höfischen Feste. Neben dem allseits bekannten Hofnarr sind auch Figuren in wilden Tanzbewegungen zu sehen, die von abgerichteten Hunden und Affen begleitet werden. Ein Vergleich zur Gruppe der Orientalen des Telfer Schleicherlaufens drängt sich für Gapp auf. Auch ein Relief mit sich verrenkenden Figuren und einem Tanzbären, der auf den Hinterbeinen stehend „Männchen macht“ kommt uns allen bekannt vor. Sind doch Bären und Affen, aber auch sonstige Einflüsse aus anderen Kulturen, ein beliebtes Motiv in der Fasnacht. Aber auch Zigeuner und durch die Lande ziehende Schausteller führten dressierte Affen und Tanzbären mit sich. Vor allem das Wiedereinfangen der ausgerissenen, wilden Tiere steigerte den damaligen Unterhaltungswert und lockte die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich.

 

Es scheint, als gäbe es die Fasnacht zumindest seit dem Mittelalter. Manfred Waltner, Volkskundler aus Imst, kommt zum Fazit, dass die Fasnacht als Phase der Ausschweifung, Sinnenfreude und weltliche Narrheit vor der Fastenzeit im liturgischen mittelalterlichen Festkalender ihren fixen Platz hatte. Ob nun allerdings „heidnische Bräuche“, „altgermanische Fruchtbarkeitsfeiern“ oder „antike Feste“ die echten Vorläufer von Fasnachtsumzügen sind, ist nach wie vor Gegenstand heißer Diskussionen in der Wissenschaft. So wie die meisten Thaurer hat auch die Imster das Warum und Woher nicht allzu viel gekümmert und so bringen es die Oberländer mit folgendem Spruch wohl auf den Punkt:

„Je heacher d’Roller beim Kroastanz springe,

um so tiafer der Schaller schallt,

um so heacher weard’s wachse auf’m Fald!“

 

Auch in Thaur ist das Winteraustreiben und Vorfreude auf die fruchtbare Jahreszeit die gängigste Erklärung für den Fasnachtsbrauch. Soviel zu den wissenschaftlichen Diskussionen interessierter Volkskundler.

Thaurer Muller, uralte echte Tradition

Wenn man die Mullerei in Thaur mit den ältesten vorhandenen Aufzeichnungen und mit den ältesten Fotos und Zeichnungen vergleicht, hat sich die Art und Weise des Mullens oder Huttlerlaufens nur wenig verändert.

Früher ging man von Haus zu Haus mullen und blieb dann beim letzten Haus sitzen. Speziell ältere Muller erzählen noch begeistert von ihren Mullereien in den Bauernstuben der Mittertennenhöfe mit einer Handvoll anderer Muller.

Leider gibt es viele dieser Mullerhäuser nicht mehr. Die traditionellen Gasthäuser haben ihre Türen geschlossen, in den Hotels ist man nicht mehr gern gesehen. Der Platz wird eng für die Muller in Thaur. Umso mehr freut man sich über die Einladungen der Thaurer Vereine zu ihren Bällen und auf’s Mullerschaugn im Gemeindesaal und in den Vereinslokalen. Was wäre ein Ball in der Fasnacht ohne Muller? Einen absoluten Höhepunkt bildet auch das Thaurer Mullerlaufen, welcher alle vier Jahre abgehalten wird.

Allerdings läuft unser Mullen auch hin und wieder Gefahr, zu einer „Trendsportart“ degradiert zu werden. Im ganzen Land gibt es auf einmal Mullergruppen, die sich von jedem Dorf das Beste abschauen und noch das ein oder andere Showelement hinzufügen, damit sie noch besser ankommen. Mit Tradition hat das nicht mehr viel zu tun.

Texte geschrieben von Martin Grubhofer, auszugsweise entnommen aus dem Thaurer Dorfbuch mit freundlicher Genehmigung von Josef Bertsch.

Das Dorfbuch ist im Gemeindeamt Thaur erhältlich und beinhaltet viel Wissenswertes über die Geschichte der Gemeinde Thaur, die vielen noch lebendigen Bräuche, die Bevölkerung sowie das umfangreiche Thaurer Vereinsleben.

 

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