Die Mullerfiguren

Die verschiedenen Mullerfiguren repräsentieren die Jahreszeiten und sollen mit ihrem Auftreten den kalten, harten Winter austreiben und Platz für den Frühling schaffen. So stellen der Melcher, der Weiße, der Spiegeltuxer und der Alte – jene Figuren, die den Fügener Hut tragen – den Frühling und Sommer dar. Die Larven dieser Gruppe zeigen auch immer einen freundlichen, jüngeren oder älteren Mann.

Der Zaggeler und der Fleckler verkörpern den Herbst, der Klötzler, der Zottler, die Bären und Hexen den Winter. Jede Figur führt daher eine andere Bewegung aus. Auch die Holzlarven sehen für jede Figur anders aus, alt und furchterregend oder jung und fröhlich.

Die Hexen

Die „Hexen“ gibt es in fast jeder Fasnacht, und doch sind sie in Thaur unverkennbarer Teil der Mullergruppe. Mit ihren hässlich aussehenden Larven, ihrem Buckel und ihrem Besen sind sie am Beginn der Muller. Sie verkörpern die Winterfigur, die vom nahenden Frühling immer mehr in den Hintergrund gestellt wird. Sie trauern „ihrem“ Winter nach und können es nicht fassen, dass er schon wieder vorbei ist. Das Gewand der Hexe ist ein aus Lumpen zusammengenähter Rock, eine lange Unterhose mit Rüschen darunter, ein paar Patschen, eine alte Bluse mit allen möglichen Farbtönen und ein Schultertuch. Die Larve ist auf ein Kopftuch genäht, unter welchem auch ein paar Haare hervorschauen können. Mit dem Besen beweisen sie, wie gutmütig sie sind. Sie kehren die Schuhe der Zuschauer ab, und manchmal geben sie einem überraschten Gast auch eine neue Frisur. Für die Kinder haben sie meist ein Zuckerl in ihrer Handtasche, wo hingegen für die Erwachsenen ein Schnapserl Platz hat.

Der Bär

Eine der berühmtesten Fasnachtsfiguren ist der Bär. Ein Relief im Goldenen Dachl zeigt einen Bären, der Männchen macht und auf den Hinterbeinen steht. Wahrscheinlich, so glaubt auch Hans Gapp, gehen die Bärendarbietungen auf die Zeiten der durchziehenden Schausteller zurück, welche dressierte Affen und Tanzbären mit sich führten und Zuschauer belustigten. Andere wiederum interpretieren den Bären und seinen Kampf mit dem Treiber als Kampf zwischen den Jahreszeiten. In Thaur erinnert die Bärengruppe mit den braunen und weißen Bären eher an ersteres, nicht zuletzt durch die zahlreichen Aufrufe des Treibers „Bärele, tanze!“

Der Klötzler

Beim „Klötzler“ gibt es in Thaur zwei Arten, einmal den Klötzler mit bunten Holzschindeln und mit weißen und braunen Holzschindeln. Der Klötzler ist eigentlich noch der einzige Vertreter aus der früheren  Huttlergruppe, der vor den Plattlern und Weißen auftritt und so Platz für diese schafft. Das Platzmachen war früher die Aufgabe der Huttlergruppe, heute übernimmt der Klötzler oder manchmal auch der Krameter diese Aufgabe. Der Mann, welcher in einen Klötzler steckt braucht sehr viel Kondition, um die kleinen Holzschindeln fliegen zu lassen.

Der Zottler

Der berühmteste und wohl auch der wildeste Vertreter der früheren Huttlergruppe ist der „Zottler“. Seine rauen Bewegungen, seine grimmig schauende Larve, sein fester Schlag und seine dumpfen Laute kennzeichnen ihn als Vertreter des Winters. Sein Gewand besteht aus blauen, grünen, roten und gelben Fransen, die aus Kartoffelsäcken gerupft, anschließend eingefärbt und auf eine blaue Montur aufgenäht werden. Sein Hut besteht aus dem typischen gelben Filzhut, wie immer an der linken Seite mit einem Stulp.

Der „Frosch“ wird nur vom Zottler ausgeführt. Wenn ein Melcher oder gar ein Spiegeltuxer auf den Ranzen des auf dem Boden liegenden Frosches steigt, so hat das Frühjahr eindeutig über den Winter gesiegt.

Der Zaggeler

Mit dem „Zaggeler“ beginnt die zweite Gruppe der Muller. Die Larve ist unfreundlicher, die Bewegungen sind wilder und kräftiger, auch weniger im Takt des Mullerwalzers. Er trägt ein blaues Gewand, auf dem fast 100 Zaggelen (Quasten) genäht sind, unzählige kleine Glöckchen und kurze Fransen in den Farben der Zaggelen. Auf dem Kopfschmuck befinden sich ungefähr 100 schwarze Hahnenfedern, welche in einer Halbkreisform auf dem aufgebogenen Stulp genäht sind. In der Mitte ist ein Spiegel, viele Blumen und meist 5 Glasbarteln. Die rechte Seite bedeckt ein Hasenfell.

Der Fleckler

Lange Zeit hat es keinen Fleckler mehr gegeben, inzwischen hat man aus Erzählungen wieder herausgefunden, wie er ausgesehen haben könnte und seitdem zählt er wieder zu den „lebendigen“ Thaurer Mullerfiguren. Sein Gewand besteht aus unzähligen Stoffflecken in bunten Farben. Der Kopfschmuck erinnert sehr stark an den Zaggeler, jedoch trägt er nicht wie der Zaggeler ein Hasenfell, sondern ein Fuchsfell mit einem von hinten sichtbaren Fuchsschwanz. Auch das Tuch sieht nicht gleich aus wie sein Gewand, sondern es ist ein Seiden- oder Wollstofftuch mit Seidenfransen. Auch seine Bewegungen sind eine Mischung aus den wilden Bewegungen der Zottler und der sanfteren Bewegungen der Zaggeler.

Der Spiegeltuxer

Der Mittelpunkt der Thaurer Fasnacht ist der „Spiegel- oder Altartuxer“. Sein über ein Meter hoher und ca. 14 kg schwerer Kopfschmuck ragt über alle anderen Fasnachtsfiguren hinaus. In der Mitte des Kopfschmuckes befindet sich ein großer, in Thaur immer ein viereckiger Spiegel, und insgesamt findet man noch über 100 kleinere Spiegel auf dem Altar. Weiße Gockelfedern und Spielhahnstöße schließen den Kopfschmuck nach außen ab, auf der Rückseite findet man Fahnenbänder meist in den Thaurer oder Tiroler Farben. Der Spiegeltuxer trägt ein mit Goldfäden gesticktes, altes Schützenleibchen, das meist den Tiroler Adler zeigt. Da auch sein Tanz ein Plattler ist, trägt er wie der Melcher eine kurze, schwarze Lederhose und an den Unterschenkeln Stitzln.

Der Hiatltuxer

Eine etwas kleinere Ausführung des Spiegeltuxers ist der „Hiatltuxer“, dessen Kopfschmuck zwar gleich aufgebaut ist, jedoch nicht so hoch. Der Hiatltuxer geht entweder mit dem Gewand des Weißen und macht dessen Bewegungen oder er trägt die Kleidung des Spiegeltuxers. 

Der Melcher

Die Schuhplattler aus Thaur schlüpfen in der Fasnacht in die Figur des „Melchers“. Der Melcher verkörpert ebenfalls einen sehr jungen, lebendigen, einen sehr lustigen und fröhlichen Menschen. Er trägt ein weißes Hemd, einen oftmals mit der Hand gestickten Hosenträger, ein grünes Tuch auf der Brust, eine kurze schwarze Lederhose und einen Ranzen mit Talerkette. Seine kurzen Socken und die Stitzl um die Waden sind noch ein Teil der bayrischen Tracht. Der Tanz des Melchers ein Plattler im Takt des Mullerwalzers. Weder das Trestern, das Platteln, noch das Gehen kann ohne Ziehorgel ausgeführt werden. So braucht man eine Menge Plattlerübung und ein gutes Taktgefühl um ein Melcher sein zu können.

Die Lall

Die „Lall“ ist eine Spott-Figur in der Thaurer Fasnacht.

Sie stellt ein Weiberl dar, die ihren Mann im Ruckkorb trägt und dabei sehr gebückt geht.

Die männliche Maske gleicht dem Melcher, die weibliche Maske ist lediglich eine Puppe
die an den Korb angenäht ist.

Der Weiße

Der „Weiße“ ist eine sehr schöne, junge und lebendige Figur der Thaurer Fasnacht. Von der weißen Hose mit rot-grünen Quasten, aufgenähten Bändern und Glöckchen an der Hosennaht und seinem weißen Hemd hat er den Namen. Ein schönes Schultertuch meist aus Seide mit Fransen geht von seiner linken Schulter bis zur rechten Hüfte. Um seine Mitte ist eine Federkielbinde mit einer Talerkette aus Silbertalern. Seine Bewegungen sind sehr lebendig, indem er mit kurzen Schritten tänzelt und im Takt des Mullerwalzers trestert. In seiner Hand hat er einen sogenannten „Ulrichstecken“, der bereits im Herbst abgeschnitten und im Wasser gebogen wird. So hüpft er vorwärts und rückwärts über seine Gerte, mit der er auch die Leute zum Abmullen einfängt. Auf dem Kopf trägt er einen Hut mit Zierrat und kleinen Spiegeln. Die Larve zeigt ein jugendliches, fröhliches Gesicht.

Der Alte

Der  „Alte“ ist ein Teil der traditionellen Altbäuerischen. Er ist ein „alter Thaurer Wirt“ mit einer Zillertaler Tracht. Das Gesicht ist bereits faltig und alt. Auf seinem Fügener Hut sind ein paar Blumen und ein halber Spielhahnstoß. Er trägt eine knielange Lederhose und gleich dem Spiegeltuxer ein altes Schützenleibchen. Er benötigt bereits einen Stecken zum Gehen und trägt auch einen Tuxer aus dem Zillertal. Jedoch zeigt er noch immer Kraft, indem er über seinen Stecken steigt und auch hin und wieder einen Plattler zeigt, den er nicht verlernt hat. Er ist der letzte aus der Gruppe der Melcher, Weißen, Spiegeltuxer und Alten, die durch ihren gemeinsamen Hut, den Fügener Hut, und die Bedeckung des Hinterkopfs durch Rosshaar eine Gruppe bilden.

Der Krameter

Der „Krameter“ eröffnet den Zug der Thaurer Muller. Er ist wohl einzigartig in ganz Tirol. Sein Gewand besteht aus duftenden Wacholderstauden, die ganz frisch und meist unter einer dicken Schneedecke hervorgeholt werden müssen. Dann sind die Frauen der Krameter gefragt. Mit einem Spagat werden die stechenden Stauden auf eine dicke, alte Eisenbahner- oder Postuniform genäht. Das Gewicht summiert sich und kann dann letztendlich bis zu 45 Kilogramm betragen. Auch die schöne Larve wird umhüllt von Wacholderstauden und der Besen ist ein langer Wacholderast. Der Krameter ist für das Platzmachen verantwortlich. Er sorgt dafür, dass die Muller sich dann auf der ganzen Straße ausbreiten können. Eine Woche nach dem ersten Auftritt jedoch kann man den Krameter wieder abtrennen und die Uniform wieder in den Kasten hängen, denn aus dem schönen Grün wird eine Mischung aus dürrem Braun und den durchscheinenden Farben der Uniform. Den nächsten Auftritt erlebt der Krameter dann beim nächsten Mullerlaufen 2026.

Zottler und Affe, 1974
Zottler und Affe, 1974

Die Affen

Wahrscheinlich gehen die Affen wie auch die Bären auf die Zeiten der durchziehenden Schausteller zurück, welche dressierte Affen und Tanzbären mit sich führten und Zuschauer belustigten. Im Gegensatz zu den eher langsamen Bewegungen der Thaurer Bären haben die Affen einen schnellen, turbulenten Auftritt.

Die Altbäurischen

Dieses alte Trachtenpaar war ursprünglich nur in Thaur bekannt. Das Wort hat auch nichts mit Bayern zu tun, sondern eben mit einem Bauernehepaar, das gerne noch bei der Fasnacht mitmacht und dabei einen traditionellen Figurentanz vorführt. Aber eben in einem dem Alter entsprechenden Tempo. 

Der Alte – also ohne Partnerin – ist auch alleine als Figur zu sehen. Dann steigt er über seinen Stock, auf den er sich ansonsten beim Gehen stützen muss.

Das Thaurer Fasserrössl

Der Thaurer Bock

Das Mullen · Ablauf mit Tradition

Melcher und Spiegeltuxer platteln den „Reith im Winkler"
Melcher und Spiegeltuxer platteln den „Reith im Winkler"

 

Wenn in Thaur die Muller irgendwohin kommen, dann geht es so richtig auf. Jedoch ist es immer die selbe Art, wie die Muller in ein Gasthaus, einen Saal oder eine Stuben hineinmullen („Einimulln“). Denn das ist eine Tradition, die immer beibehalten wird.

 

Der Spieler legt den Grundstein für die Mullerei. Er stellt sich auf die Bühne, in eine Ecke oder irgendwo an den Rand des Tanzbodens und spielt den „Thaurer Mullerwalzer“. Dieser wird jäh unterbrochen von den heulenden und schreienden Hexen, die dem zu Ende gehenden Winter nachtrauern.

Um Platz für den Auftritt der anderen Muller zu schaffen, kommen die Klötzler unüberhörbar in den Saal und übertönen abermals den Mullerwalzer. Unterstützt wird der Takt des Mullerwalzers dann wieder vom Trestern der Weißen, Melcher, Spiegeltuxer und Alten, die in dieser Reihenfolge den Saal mit ihrem Tresterer im ¾-Takt betreten. Wenn der Boden dann so richtig eingetrestert ist, führt jeder dieser Muller seine typischen Bewegungen aus. Der Weiße springt über seine Gerte, der Melcher und der Spiegeltuxer beginnen zu platteln, und der Alte steigt über seinen Stecken.

Die Melcher und Spiegeltuxer zeigen in einem beeindruckenden Kreis den Auftanz, den „Reith im Winkl“. Die Zaggeler, Fleckler und Zottler warten kniend und geduldig auf das Ende des Plattlers. Nach dem zweiten Teil des „Reith im Winklers“ knien sich die Melcher und Tuxer nieder, gleich darauf erhebt sich die ganze Mullergruppe und das eigentliche Mullen der einzelnen Figuren mit ihren typischen Bewegungen beginnt.

Ein Thaurer Zottler kurz vor dem „Abmullen“, dem symbolischen „Fruchtbarkeitsschlag“ auf die Schulter
Ein Thaurer Zottler kurz vor dem „Abmullen“, dem symbolischen „Fruchtbarkeitsschlag“ auf die Schulter

 

Das Abmullen ist vermutlich heidnischen Ursprungs und die Muller geben den Zuschauern einen mehr oder weniger leichten Schlag auf ihre Schulter. Dieser Schlag soll dem Abgemullten Fruchtbarkeit und Glück bringen. Um dies zu unterstützen, wird meist noch ein Schnapsl dazu ausgeschenkt, das jeder Muller in seinem eigenen Schnapsflaschl mit sich führt. Die Härte des Schlages hängt nach früheren Überlieferungen von der Beliebtheit der Person beim jeweiligen Muller ab. Etwas fester könnte der Schlag auch ausfallen, wenn der eine oder andere Muller in ziviler Kleidung im Publikum gesichtet wird, denn der sollte sich merken, dass man in der Fasnacht keinen Muller zu Hause lässt. Über das Ergebnis der Fruchtbarkeitssteigerung wurden in Thaur keinerlei Statistiken geführt, und so ist der Brauch eben Brauch, und wem es nützt, sind wir froh, andere müssen vielleicht öfter zuschauen kommen.

 

Nach dem Mullen der einzelnen Figuren kommt der Mullerfreitanz. Bei diesem Freitanz reißt der Spieler die Melodie des Mullerwalzers ab und beginnt mit einer anderen Walzermelodie. Die Muller holen dann eine Frau oder ein Mädchen zum Freitanz, wobei eine ungeschriebene Regel sagt, dass man hier jene Frau zum Tanz holt, die den Muller gemacht hat und ihr somit dankt für ihren Fleiß und Einsatz beim Aufnähen des Mullers. Anschließend wird wieder der Mullerwalzer angestimmt und das Treiben auf der Tanzfläche zwischen den Tischen und Stühlen, manchmal auch auf den Tischen, geht weiter, bis der Spieler die Melodie abreißt und den Saal verlässt. Der Raum leert sich und die Mullerei ist vorbei – bis zum nächsten Auftritt.

Die Bedeutung des Spiegels

In Thaur ist der Spiegel in der Mitte des Rades immer rechteckig – im Gegensatz zu den anderen MARTHA-Dörfern. Im Altar (Kopfschmuck) der Spiegeltuxer Melcher und Weißen sind auch kleine runde Spiegel zu finden. Jeder Muller in Thaur hat einen kleineren oder größeren Spiegel, der den Dämonen des Winters ihre Hässlichkeit und Grausamkeit zeigen soll. So sollten die Dämonen des Winters durch ihre eigene Abschreckung vertrieben werden, um dem Frühling Platz zu machen.

Texte geschrieben von Martin Grubhofer, auszugsweise entnommen aus dem Thaurer Dorfbuch mit freundlicher Genehmigung von Josef Bertsch.

Das Dorfbuch ist im Gemeindeamt Thaur erhältlich und beinhaltet viel Wissenswertes über die Geschichte der Gemeinde Thaur, die vielen noch lebendigen Bräuche, die Bevölkerung sowie das umfangreiche Thaurer Vereinsleben.

 

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Texte geschrieben von Margit Plank, auszugsweise entnommen aus verschiedenen Ausgaben der Thaurer Mullerzeitung mit freundlicher Genehmigung von Martin Plank, Schriftführer der Schützenkompanie Thaur.

Die Mullerzeitung Thaur erscheint alle vier Jahre anlässlich des Thaurer Mullerlaufens. Der nächste Umzug in Thaur findet 2026 statt.

 

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